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Ein Interveiw von Sebastian Fasthuber

Seit 15 Jahren polarisiert Helmut Krausser mit seinen Büchern Leser und Kritiker. Mit Sebastian Fasthuber sprach er über seinen neuen Roman Die wilden Hunde von Pompeii, seine sehr gute Lyrik und die kafkaeske Klapsmühle des Schreibens.

 

Sie haben einmal gesagt, dass die Jahre zwischen 28 und 40 die entscheidenden im Werden eines Schrifstellers sind und so begründet, dass Sie 12 Jahre lang jeweils ein Monat Tagebuch führten. Jetzt, da sie 40 Jahre alt sind und November der letzte Tagebuch-Band erscheint - wie schätzen Sie Ihre Entwicklung ein?

Es gibt selbstverständlich Schriftsteller, die anders getaktet sind und später oder sogar früher in die Gänge kommen. Aber bei denen, die ich als mir verwandt empfinde, war es tatsächlich so, dass deren starke Ära zwischen Jahr 28 und Jahr 40 lag. Ich fühle mich soweit gut, ein wenig müde. Schreibe sehr viel und sehr gute Lyrik, bin damit glücklich. Bin, was das Tagebuch anlangt, im positiven Sinne am Ende. Rowohlt hat mir rührenderweise angeboten, einen neuen Zyklus nachzulegen, aber das wäre redundant.

 

Wie erklären Sie sich, dass Ihr Schreiben derart polarisiert? Die einen nennen sie einen elitären Autor, andere einen „leichten" Schriftsteller.

Ich lege bei aller Komplexität des verhandelten Gegenstands Wert auf eine gewisse Oberflächen-verständlichkeit und benutze melodramatische Effekte, sehr oft auf ironische.Weise beziehungsweise mehrfach ironisch gebrochen viele verstehen einfach nicht wie sie das lesen müssen. Thanatos zum Beispiel ist ein hochironisches Buch, das die geistige Zerrüttung eines von der Gegenwart abgewandten deutschen Gelehrten zeigt. Dieser weigert slch zum Beispiel Anglizismen zu benutzen, was ich lächerlich finde. Überhaupt nicht bewusst war mir, dass von Teilen der politischen Rechten dieses Buch als tiefendeutsch und wotansraunend missverständen und begrüßt wurde. Prompt galt ich als verdächtig und bekam erst mal ein paarSchüsse vor den Bug. Das hat sich inzwischen beruhigt. Immer mehr Leute entschuldigen sich bei mir.

Was ich auch oft höre: dass man in den Krausser-Sound erst hineinfinden muss. Schon von der Rhythmik her. Ich versuche, sehr melodiös und rhythmisch zu schreiben, mit kleinen Nuancen viel auszudrücken, aber manche Leser finden nicht hinein - oder lesen über die Details hinweg. Das geht wohl jedem Autor so.

 

Was Sie außerdem oft genannt werden, ist großspurig bis größenwahnsinnig. Es soll auch Leute geben, die ihre Tagebücher ähnlich wie die Kinski-Memoiren lesen. Mir jedoch scheint eher, dass ihre Selbsteinschätzung als Autor auch Schwankungen unterworfen ist und Selbstzweifel durchaus ein Teil davon sind.

Nein, ich täusche zwar manchmal Selbstzweifel vor, doch in Wahrheit bin ich absolut größenwahnsinnig. Ich wollte immer der beste Schriftsteller überhaupt werden. Als ich es dann geschafft hatte, war es gleich langweilig. Jetzt trete ich gegen die besten Schriftsteller anderer Planeten an. Eben zum GELALZ gekürt („Genialster Lyriker aller Zeiten.") habe ich gestern zum Beispiel versucht, Robert Gemhardts herrlichem Arroganzgedicht

 

(Lieber Gott, nimm es hin,

daß ich was Besond'res bin.

Und gib ruhig einmal zu,

daß ich klüger bin als du.

Preise künftig meinen Namen,

denn sonst setzt es etwas. Amen)

 

ein etwas weniger monotheistisches entgegenzustellen:

götter sind stumme voyeure weit oben,

die selten wen tadeln, geschweige denn loben.

 

verelendet interessieren sie sich

für beinahe niemanden - außer für mich.

 

es zieht sie zu mir voll begeisterung hin-

ist lästig zuweilen, doch nachzuvollziehn.

 

ich habe den göttern viel gutes getan.

sie sehen mir zu, sie beten mich an,

 

ich nicke und bete ein wenig zurück.

da freuen die sich. Und weinen vor glück

 

Sie sind seit vielen Jahren bei Rowohlt, einem etablierten Verlag, zu Hause. Dennoch zeichnen Sie in Ihren Tagebüchern ein Bild von sich als unterschätzter, unterbezahlter Autor. Stimmt das heute denn immer noch?

UC hat wenig verkauft. War ich selbst schuld dran, ich hätte es gefälliger machen können. Mach ich halt nicht. Meine Stücke werden in Deutschland nicht gespielt, bis auf Lederfresse, das läuft und läuft und läuft. Bringt aber wenig ein. Für meine Nibelungen habe ich zehn Jahre gebraucht, das Stück kann es mit jedem Shakespeare aufnehmen, ernsthaft jetzt - und was wird gespielt? Rinke, und weil das nicht befriedigt, holt man Hebbel hervor. Uberall hebbelts mir um die Ohren.

Also, wie kommt das Geld rein? Lesungengeben, Kritiken schreiben. Preise bekomm ich sowieso nicht, solange Stalin noch lebt, also lebe ich von der Hand in den Mund. Selbstverständlich ist alles relativ und man kann heilfroh sein, dass das eigene Werk komplett bei einem großen Verlag erschienen ist; ja, aber wenn dies hier ein Mäzen liest, der noch ein wenig Spekulationsgeld zu verpulvern hat, soll er sich bei mir melden.

 

Sie lamentieren seit Jahren die Unterwerfung des deutschsprachigen Büchermarktes gegenüber amerikanischer, beziehungsweise englischsprachiger Literatur, die Tendenz, dass Verlage Unsummen für Lizenzen ausgeben und wenig für deutschsprachige Autoren bleibt. Wie haben sich diese Dinge Ihres Erachtens zuletzt entwickelt?

Eben wieder halb gelesen: Powers, Klang der Zeit. Furchtbar öde. Ich gebe diesen US-Importen ja immer wieder eine Chance. Safran-Foer, (Alles ist erleuchtet) zu zwei Dritteln ein ganz gutes Buch, wenn auch basierend auf recht billigen Tricks - das letzte Drittel so schlecht, dass man wütend wird - nun wird dieser 24jährige vom deutschenFeuilleton zur Weltlage befragt. Franzen - Corrections, ok, das war ein starkes unterhaltendes Buch, wenn auch mit einer fast fatalen Durststrecke kurz vor Schluss, aber gut. Nur eben, wie soll ich sagen, aus Fleiß entstanden. Aus soviel Beschreibungs- und Recherchenfleiß und so wenig Vision. „Rotkehlcheneierblaue Wolkenschattierungen", schreibt Franzen mal. Setzen, Eins.

Ich kenne sehr viele Rezensenten, die keinen Hehl daraus machen, die deutsche Gegenwartsliteratur zu verachten. Dabei gab es in keiner Epoche so viele gute deutsche Bücher wie in den letzten 20 Jahren. Bitten Sie mich nicht darum,. Namen aufzuzählen, das führte zu weit. Viele dieser großartigen Bücher sind kaum wahrgenommen worden, manche sogar aufs Übelste verrissen worden, ich rede jetzt nicht von meinen eigenen, ich kann mit meinen 70% Zuspruch ja sehr zufrieden sein, bekomme immer mal wieder eine Hymne, die mich mit der Welt versöhnt. Aber wenn ich sehe, was bereits durchs Wahrnehmungsraster gefallen ist und fast schon verloren ... Andererseits bin ich ja doch etwas altmodisch und glaube an Qualität und dass sie sich letztlich irgendwie, wenn nicht durchsetzt, so doch 'behauptet. Zum Beispiel Jörg Fauser - sicher einer der- interessantesten deutschen Autoren der Achtziger.- Alles wird gut ist ein großes Buch, es war jetzt eine ganze Zeit lang sehr ruhig um ihn, und plötzlich wird er wieder diskutiert.

Aber um auf die Frage zurückzukommen: Alle sind schuld. Bis zu den späten Achtzigern war die deutsche Literatur so leserfeindlich gepolt, dass das verlorene Vertrauen bis heute nicht zurückgewonnen wurde. Als ich anfing, musste ich mich noch rechtfertigen dafür, dass ich erzähle. Und die Amerikaner wissen sich einfach besser zu feiern. Da wird ein Autor nicht irgendwann einfach nur deshalb fertiggemacht, weil er zuvor ungeteiltes Lob bekommen und weil er über den Tellerrand hinauszusehen gewagt hat. Manche Probleme sind auch fast peinlich individueller Natur. Nennen Sie mir fünf Literaturredakteure der führenden Zeitungen und Sie haben ein Quartett Volltrottel zusammen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ernsthaft um Literatur bemühte Menschen oft nicht den Ehrgeiz oder die Durchsetzungskraft haben, es auf einen solchen Posten zu schaffen. Klingt klischiert, ist aber häufig anzutreffen.

 

Ihre eigenen Anstrengungen wirken fast sisyphoshaft. Ein Buch wie UC müsste ja mindestens so viel verkaufen Eugenides’ - qualitativ obendrein viel schwächeres – Middlesex, Die Realität aber schaut anders aus. Sind sie da nicht manchmal am Verzweifeln?

Ich bin nicht nur am Verzweifeln, ich bin manchmal am Durchdrehen. Diese kafkaeske Klapsmühle hinter sich zu lassen, mit dem Schreiben aufzuhören, sollte wirklich eine Option sein.

Ich glaube in der Tat, dass es wenigstens momentan keinen amerikanischen Autor gibt, in dessen Horizont so etwas wie UC überhaupt anzudenken wäre. Andererseits - es ist das Los solcher Bücher, etwas früher zu kommen als die anderen und dann eben erstmal allein im Stadion rumzustehen. Damit muss man leben und sterben. In den Tagebüchern schreiben Sie einige Male sinngemäß: Jetzt müsste mal das Unterhaltungsbuch her, das nicht blöd ist, sich aber auch verkauft." Glauben Sie, dass Die wilden Hunde von Pompeii das erfüllen kann?

Ich glaube, ehrlich gesagt, dass ich mal wieder zwischen den Stühlen landen werde. Klar ist es ein unterhaltsames Buch, aber für den Markt vielleicht zu ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig. Ich meine, es wird angeboten als eine All-Age-Fantasy-FabeL In den Hunden kommt aber einiges vor, was in jenem Genre sonst penibel vermieden wird: Schlüpfrigkeiten, massenhaft, Liebesgeschichten (die in einem gewissen Alter noch nicht goutiert werden), pubertäre Gewaltfaszination, rasante Perspektivwechsel, derbes Vokabular, Euthanasieproblematik, Gewalt mitFolgen, Tod und echte Tragik, die auch ganz lautere Charaktere trifft, schuldfreie alte Vegetarier wie blinde Welpen. Das alles in einer komplizierten, fast Clip-artigen Schnittmontage, dazu selbstparodistische Elemente, außerdem besteht der rote Faden der Geschichte daraus, dass der Held/Antiheld alles kampflos vor die Füße geworfen bekommt. Ständig eine neue Antiklimax. Tja. Wenn sowas floppt, dann darf man sich nicht wundern. Dennoch ist es vielleicht mein originellstes Buch.

 

Geisterwelt und' Mythologie sind wichtige Elemente des Buches, eine ganze Reihe von Passagen hat aber auch den von Ihnen angesprochenen Fantasy-Touch. Sind Die wilden Hunde von Pompeii Ihr kurzer Gegenentwurf zu Der Herr der Ringe & Co.?

Ich kenne mich im Fantasy-Genre nicht gut aus. Die Idee zu den Hunden entstand direkt vor Ort. Sprich: die Kulisse war ausschlaggebender Reiz. Und eine Fabel hatte ich noch nie geschrieben. Der Kick des Neuen, der für mich immer dabei sein muss. Ich will mich nie wiederholen. Ansonsten würde die Geschichte auch mit anderen Protagonisten funktonieren, es geht im höheren Sinne ja darum, zu zeigen dass niemand weiß, wer einem gerade beisteht und mit welchen Motivationen. Kaffeekanne erlebt eine sehr simple Geschichte und ahnt überhaupt, nicht, bis zum Schluss nicht, zu welchem Zweck er wirklich unterwegs war. Es war mir wichtig, auch in den Hunden mein Weltbild ohne Abstriche und Zugeständnisse zu präsentieren, selbst wo dadurch ein paar Käufer abgeschreckt werden.

 

Ich empfinde das Buch im besten Sinne als Unterhaltung, „leichte" Lektüre jedoch ist es nicht. Waren Sie je versucht, ein Kinderbuch daraus zu machen?

Aber natürlich ist das Buch auch für Kinder geschrieben. Nur - ich mag eben keine Kinder. Wenn ich ein Kinderbuch schreibe, dann eines, das die Kleinen möglichst schnell erwachsen werden lässt. Hier gibt es keine verniedlichte Welt, keine Rücksichtnahme auf zarte Seelen. Eventuelle Kinder werden aber als Leser ernstgenommen, werden nicht für dumm verkauft, und dafür werden sie sich irgendwann - hoffentlich - dankbar zeigen.

 

Im Tagebuch 2003 kokettieren Sie ein wenig mit der Tatsache, dass Sie schon extrem viel davon, was Sie sich vorgenommen haben, geschrieben haben und quasi halb „durch" sind. Wie sehen jetzt Ihre Zukunftspläne aus?

Ich werde weiterhin Lyrik schreiben, das ist mir das Wichtigste. Die Lyrik, ist so unpopulär, weil sie so schlecht ist. So einfach ist das und somit schon wieder tröstlich. Ohne Namen zu nennen, wozu ich Lust hätte: Was derzeit in Deutschland an Lyrik gefeiert wird, ist meistens der Rede nicht wert, das kann man nicht laut und oft genug sagen. Regelmäßig wird das Mittelmäßigste gefördert, nur weil die Jurys paritätisch halb mit Idioten, halb mit Geisteskranken besetzt sind. Gerne schriebe ich auch noch ein paar Stücke, einfach, weil ich da noch etliche Möglichkeiten sehe, der Bühne etwas Neues zu geben. Aber angesichts des Triumphes der Scheiße momentan auf Bühnen und Spielplänen, weiß ich nicht, ob das noch Sinn hat. Vielleicht sollte man alle selbstverliebten Regisseure erschießen und dann das Theater neu gründen? Konkret wird wohl noch eine längere Erzählung erscheinen, die ich gerade, von Selbstzweifeln übrigens brutalst gequält, umarbeite. Danach, was Prosa betrifft: Rente. Mir haben immer jene Autoren imponiert, die irgendwann mit sich fertig wurden. Das bedeutet ja nicht das Ende des Lebens, nur das Ende des Müssens.

 

Helmut Krausser

Die wilden Hunde von Pompei

Rowohlt, Reinbek 2004

272 S., € 17,90 (D) / € 18,40 (A) / sFr 31,70

 

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Zuletzt aktualisiert im April 2024